Brandschutz FAZ - unsere Darstellung
Brandschutz in der Bundesrepublik Deutschland –
Ein Versuch der Klarstellung zum Bericht der FAZ am Sonntag vom 05.11.17
Mit großem Interesse habe ich bei der Sichtung der Wochenendausgabe am 5.11.2017 die Überschrift „Wie die Brandschutzrepublik Deutschland ihre Bürger fordert und frustriert“ wahrgenommen.
Klingt spannend! Beim Lesen des Artikels schlug mein Interesse dann aber schnell in Ratlosigkeit und Verwirrung um. Da hat sich jemand an ein sehr komplexes Thema herangewagt. Es bedarf hier in einigen Punkten einer Klarstellung und dem Zurechtrücken von Tatsachen!
Es ist eine Tatsache, dass Gasthöfe und Hotels – wie im einführenden Beispiel beschrieben – von Behörden mit Auflagen zum Brandschutz versehen werden. Dahinter steht nicht eine plötzliche Willkür neuerer Zeit aufgrund einer künstlich protegierten Angst, sondern die Tatsache, dass in vielen Gebäuden der Republik seit Jahrzehnten (!) dem Brandschutz keine wirkliche Bedeutung beigemessen wurde. Zunächst besteht bei einem Gebäude der Bestandsschutz, wenn dem nicht eine akute Gefahr entgegensteht. Beispielsweise in Gaststätten oder Hotels wurden in den letzten 25 bis 30 Jahren vielfach Renovierungen durchgeführt, der Fußboden erneuert und die Wände gestrichen. So etwas sieht gut aus, das Auge ist verwöhnt – der Gast fühlt sich zunächst wohl. Im Regelfall wurden aber meist nicht einmal die brandschutztechnischen Minimalanforderungen – viele dieser Forderungen gibt es bereits seit Jahrzehnten – erfüllt.
Hier sind die im Artikel erwähnten Wände zu Treppenräumen zu erwähnen. Zum Verständnis: Ein Treppenraum soll im Ernstfall die sichere Flucht von Personen ermöglichen. Das funktioniert natürlich nur, wenn dieser Raum gewisse Mindestanforderungen erfüllt - Wände also einem Feuer widerstehen können und Türen Feuer und Rauch nicht in den Treppenraum eindringen lassen. Hier sei zu erwähnen, wie tragisch die Flucht verhindert werden kann, wenn in einem Treppenraum beispielsweise ein abgestellter Kinderwagen entzündet wird. Im Jahr 2005 starben in Berlin bei einem solchen Vorfall neun Menschen. Kein Einzelfall.
Durch unterlassene Maßnahmen oder auch bauliche Zustände, die schon zur Bauzeit nicht der Genehmigung entsprachen, ist in vielen Gebäuden in Deutschland ein erhebliches Gefahrenpotenzial vorhanden. Dies entspringt nicht neueren Vorschriften oder dem Bestreben eines einzelnen Wirtschaftszweiges oder den Feuerwehren, sondern ist schlicht einer langfristigen Nachlässigkeit und Unterlassung geschuldet!
Bei Neubauvorhaben kann durchaus in Frage gestellt werden, warum ausführliche Brandschutzkonzepte, die wie alles heutzutage als Beratung und Planung mit einer damit verbundenen Haftung ein entsprechendes Honorar nach sich ziehen, nicht umgesetzt werden können oder die Kosten in die Höhe treiben. Auch hier sollte man mit fachlichem Verständnis herangehen und wissen, dass es bei vielen Bauvorhaben auch Zwänge durch Forderungen von Bauherren gibt. Wenn beispielsweise Flächen, die eigentlich für Installationen, Rauchabzüge oder Ähnliches vorgesehen waren, im Laufe der Planung plötzlich als Mietflächen vermarktet werden sollen. Aus Sicht eines Bauherren und dessen wirtschaftlichem Ansatz sicher nachvollziehbar, für einen Planer und ausführenden Fachmann aber vielfach ein echtes Problem.
Die Ausführung zu bürokratischen Hürden kann aus meiner Sicht nur bestätigt werden – wir haben in Deutschland noch immer in jedem Bundesland eine eigene Bauordnung, obwohl es längst eine Musterbauordnung gibt, die inhaltlich auch in großen Teilen in allen Bundesländern Anwendung findet. Aber eben nicht bundesweit einheitlich eingeführt ist und damit keine Rechtsbindung erfährt. Vollkommen unnötig – bei dem weiterreichenden Streben nach EU-weiten Regelungen in vielen anderen Bereichen ist hier nicht mal eine einfache Vereinheitlichung möglich. Die Politik muss hier handeln!
Private Spezialisten werden im Artikel genannt, die nach Meinung des Verfassers die Arbeit der Dienststellen der Bauaufsichten erledigen. Auch dieser Punkt ist nicht korrekt wiedergegeben. Nach der Einführung von Regelungen für Prüfsachverständige und Nachweisberechtigte in Deutschland werden Aufgaben zwar tatsächlich auch an den privatwirtschaftlichen Bereich abgegeben. Dies aber vor dem Hintergrund, dass Bauherren unter Anderem stärker in die Verantwortung gezogen werden sollen und die zuständigen Dienststellen und Behörden schlichtweg personell in solch hohem Maße unterbesetzt sind, so dass diese die gesamten Bearbeitungsvorgänge nicht mehr leisten könnten. Dies liegt an Sparmaßnahmen und ist ein politisches Thema, und somit nicht die Schuld von Wirtschaftsunternehmen, die Brandschutz verkaufen wollen!
Ein Beispiel: Bei einem Hotel in Wiesbaden wurde durch die Bauaufsicht eine Brandschau durchgeführt. Es gab massive Mängel – unter Anderem fehlende Rettungswege. Die eingeleiteten Maßnahmen in Verbindung mit einem Bauantrag hätten kurzfristig ausgeführt werden können. Die zuständige Bauaufsichtsbehörde ließ sich 13 Monate (!) Zeit, die entsprechende Baugenehmigung zu erteilen!
Der Bereich des baulichen Brandschutzes in Deutschland ist mit einer enormen Zahl von Vorschriften, Normen und Richtlinien verknüpft. Neben technischen Grundlagen, die ein gewisses Sicherheitsniveau festlegen sind auch Gefahreneinschätzungen und Haftungsfragen zu beachten. Es gibt in Deutschland keine Norm für Brandmeldeanlagen, die den Austausch einer Anlage in einem Zyklus von acht Jahren vorschreibt. Diese Aussage ist falsch! Automatische Brandmelder, die über optische Bauteile verfügen, müssen in einem Turnus getauscht werden – damit sie korrekt funktionieren und einen Brand auch wirklich erkennen können. Ähnlich verhält es sich bei einem Auto, bei dem Sie regelmäßig die Scheibenwischer tauschen sollten, weil Sie sonst bei Regen nichts sehen!
Das im Bericht beschriebene, tragische Beispiel aus Bayern kann kein Platzhalter dafür sein, dass in Deutschland in völlig überzogene Maße Brandschutz betrieben wird. Die Anforderungen sind hoch – viele Maßnahmen kosten viel Geld. Das ist korrekt. Man braucht aber auch nur einen einzigen Schadenfall, wie Tote und Verletzte in einer Diskothek in Brasilien oder Arbeiter in Bangladesch, die aufgrund fehlender Fluchtwege elend verbrannten. In Deutschland passieren genau diese Dinge nicht, weil das Niveau des Brandschutzes in Deutschland eben gut ist. In anderen Ländern übrigens in Teilen sogar noch besser!
Deutschland verfügt über eine erhebliche Bausubstanz im Bestand, die in den kommenden 20 bis 30 Jahren saniert und umgenutzt werden wird. In diesem Zusammenhang wird auch der Brandschutz zu beachten sein, ebenso wie in Deutschland jedes Gebäude mittlerweile mit massiven Kunststoffplatten beklebt wird, um vermeintlich ganz viel Energie zu sparen. Bei der ganzheitlichen Betrachtung der Primärenergie, die für die Herstellung der Dämmstoffe eingesetzt wird und der Kosten, die bei der späteren Entsorgung entstehen werden, sieht die Rechnung der Energieeinsparung gleich ganz anders aus. Man muss also bei diesen Themen, die heutzutage aufgrund gesetzlicher Vorschriften und technischer Vorgaben sehr komplex sind, zunächst solide recherchieren, um wirklich eine Aussage treffen zu können.
Der benannte Artikel hat die Situation zum Brandschutz „verunklart“ und teilweise sogar falsch wiedergegeben. Nach meiner persönlichen Meinung ist dies kein guter Journalismus – man kann Fragen in den Raum stellen - die Verbreitung von unvollständigen oder falschen Tatsachen schürt lediglich Wut und die Unwissenheit derer, die zu diesem Thema ohnehin schon voreingenommen sind. Inhaltlich ist hier leider nicht in dem Format recherchiert worden, was man von einer solch etablierten Tageszeitung eigentlich erwarten könnte.
N. Christian Wollitz, M.Eng.
Beratender Ingenieur IngKH
Architekt AKH
Fachingenieur (IngKH) für baulichen Brandschutz
Zertifizierter Sachverständiger für Brandschutz nach DIN EN ISO/IEC 17024 - Vorbeugender Brandschutz (EIPOSCERT)
Nachweisberechtigter für den vorbeugenden Brandschutz – HBO – Nr. 716545 – B – AKH